Erstaunliche Entdeckungen – Die Schriftrollen vom Toten Meer

7246
von Mario Arambasic (M.A.): Die Geschichte über den Fund der Schriftrollen vom Toten Meer ist mittlerweile vielen Menschen bekannt. Wer hat nicht schon von dem Beduinen-Jungen gehört, der in Qumran am Toten Meer einen Stein in eine Höhle warf. Es ereignete sich im Frühling des Jahres 1947. Angeblich auf der Suche nach seiner Ziege entdeckte er eine Höhle, in der sich das Tier versteckt haben könnte. Ob die Geschichte so verlief, oder er nur auf der Suche nach einem Schatz war, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Das Resultat ist jedoch klar. Er traf mit dem Stein einen Tonkrug in der Höhle, der daraufhin zersprang. Als er von seinen Freunden in die Höhle hinabgelassen wurde, fand er Tonkrüge mit alten Schriftrollen darin. An diesem Tage war er sich nicht bewusst, dass er wohl den größten archäologischen Fund des 20. Jahrhunderts vor sich hatte. Über einige Umwege kamen dann diese Schriftrollen in die Hände von Professor Trevor, einem Experten, der sofort ahnte um was für einen Fund es sich handelte. Eine dieser Schriftrollen war eine vollständige Jesaja Buchrolle. Als er dies identifizierte, rollte er sofort hastig die Handschrift bis zum Ende auf. Und da war es, die letzten Worte von Kapitel 66, genauso, wie er es aus seiner Bibel kannte. Bis 1956 sollten viele weitere antike Handschriften aus den Höhlen auftauchen. Insgesamt 11 Höhlen mit antiken Dokumenten wurden entdeckt, welche die Fachwelt in Begeisterung stürzten. Fragmente von über 900 Schriftrollen wurden festgestellt, die vom 3. Jh. v. Chr. bis zum 1. Jh. n. Chr. datierten. Davon waren etwa 230 biblische Handschriften. Mit Ausnahme von Esther, wurden Fragmente von jedem alttestamentlichen Buch gefunden. Es sollten etwa 50 Jahre intensiven Forschens folgen. Qumran warf viele Fragen auf. Zum einen ist bis heute nicht geklärt, wer die antiken Dokumente in den Höhlen versteckte. Einige Theorien sind hierzu im Umlauf. Die gängigste darunter ist diejenige, die besagt, dass es sich um strenggläubige Juden handelte, welche von der Gesellschaft zurückgezogen lebten und dem Tempel in Jerusalem, deren Hohepriester sie als korrupt ansahen, den Rücken kehrten. Andere Fragen hatten jedoch eine weitaus größere Tragweite. Wurden die biblischen Bücher im Lauf der Zeit verändert? Mit anderen Worten: Ist das Alte Testament, wie wir es heute haben, ein zuverlässiges Dokument, oder haben sich Fehler eingeschlichen und vielleicht sogar noch schlimmer, wurden die Dokumente im Lauf der Zeit verfälscht, um eigene Weltanschauungen und Glaubensgebäude zu stützen? Darüber hinaus kam bald die Frage auf, ob man darunter irgendwelche geheimen Informationen über Jesus und die frühen Christen finden würde, welche vielleicht sogar den neutestamentlichen Bericht über den Haufen werfen würden? Die Brisanz dieser Fragen wird dadurch deutlich, dass die bis dahin ältesten vollständigen Handschriften von alttestamentlichen Büchern etwa 1000 Jahre jünger waren. Der Codex Leningradensis, welcher die Grundlage für die meisten heutigen Bibelübersetzungen bildet, datiert in das Jahr 1008 n. Chr. Über 1000 Jahre sind viel Zeit, damit sich gravierende Fehler, Vertuschungen, Geschichtsfälschung und redaktionelle Bearbeitung hätten einschleichen können. Das schöne an der Geschichte ist, dass wir zu diesen Fragen heute ganz sichere Antworten geben können. Bis auf einige „Mogelwissenschaftler" und selbsternannte Experten sind sich heute alle Fachleute einig, dass die Schriftrollen keine geheimen Botschaften über Jesus und das Neue Testament ans Licht gebracht haben. Allerdings waren die Dokumente auch für das Neue Testament von Interesse, da man dadurch die Lebenswelt des 1. nachchristlichen Jahrhunderts besser verstehen konnte. Es bleibt die Frage zu klären, wie gut die biblischen Schriften überliefert wurden. Am besten erhalten ist das Buch Jesaja in Form einer Schriftrolle aus dem 2. Jh. v. Chr. Anhand dieser Handschrift kann man der Frage am besten nachgehen. In der Fachliteratur wird von einer erschreckend hohen Anzahl an Varianten (Abweichungen) von den bekannten Bibelhandschriften berichtet. Über 6000 Varianten in nur einem biblischen Buch, die von der biblischen Textvorlage abweichen. Doch auf den zweiten Blick erscheint ein völlig anderes Bild. Von diesen über 6000 Varianten sind allein schon etwa 4500 von orthographischer Natur, beziehen sich also auf die Rechtschreibung. Sprache verändert sich. Und dadurch entstehen folglich ein Großteil der Varianten. Ein Beispiel hierfür wäre in der deutschen Sprache das Wort „Foto“, das früher „Photo“ geschrieben wurde. Beide Wörter besagen exakt das gleiche, jedoch gab es eine Veränderung der Buchstaben. So müssen wir uns auch diese orthographischen Varianten vorstellen. Ein weiterer Teil der Varianten besteht aus Beschädigungen des Textes, welcher, obwohl er nahezu vollständig erhalten ist, an einigen stellen doch in Mitleidenschaft gezogen wurde. Bei weiteren Varianten handelt es sich um Vertauschungen von Wörtern, welche den Sinn jedoch nicht verdrehen, und teilweise um Auslassungen. Einige Variationen geben tatsächlich ein Wort anders wieder. Im folgenden sollen einige Beispiele aufgezeigt werden: Jesaja 1,15 endet im überlieferten Text: „Denn eure Hände sind voll Blut“. In der Jesajarolle heißt es weiter: „ ... und eure Finger voll Verbrechen“. Bei Jesaja 2,3 heißt es in der alten Lutherübersetzung: „Laßt uns auf den Berg des Herrn gehen, zum Hause des Gottes Jakobs“. In der Schriftrolle aus Qumran fehlt: "auf den Berg des Herrn". Eine Sprachvariante stellt der Text in Jesaja 45,2 dar. In der Lutherübersetzung heißt es: „Ich will vor dir hergehen und die Höcker eben machen…“ In der Jesajarolle finden wir den Text so wieder: „ich will vor euch hergehen und die Berge eben machen.“ Wichtig ist festzuhalten, dass bei keiner der Varianten es zu einer veränderten Aussage des biblischen Textes führt. Was also festgestellt wurde ist, dass dieses antike Dokument hervorragend überliefert wurde! Kein antikes Buch kann eine derartige Textgenauigkeit aufweisen. Dieser Fund lehrt uns, dass die skurrilen Theorien über die Verfälschung und ungenaue Überlieferung der alttestamentlichen Bücher, jeglicher Grundlage entbehren. Unabhängig davon welcher Religion man angehört oder sich zum Kreis der Atheisten und Agnostiker zählt, muss man unbefangen zugeben, dass die Glaubensgemeinschaften, die sich auf das Alte Testament stützen, auf einem starken Fundament bauen. Über 1000 Jahre lang wurden die Abschriften der alttestamentlichen Bücher erstaunlich genau kopiert, so dass wir im Grunde genommen heute dieselbe Bibel in den Händen halten, wie die Menschen damals (mal abgesehen davon, dass die einzelnen Bibelbücher damals nicht in einem Buch zusammengestellt waren). In Anbetracht dieser Tatsachen sollte man diesen alten Schriften eine zweite Chance geben. Wer sie sich zu Herzen nimmt wird feststellen: Es lohnt sich! © Memento Medien