Enthält die vegane Ernährung genügend Proteine?

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von Jonathan Ewald:
Ich sah vor kurzem eine elektronische Postkarte mit einer jungen Frau darauf, die voll beladen mit Obst und Gemüse in ihren Armen war. Darauf stand der humorvolle Spruch: „Niemanden interessiert deine Proteinaufnahme, bis sie herausfinden, dass du vegan bist.“ Wenn du schon seit einiger Zeit ein Vegetarier oder ein Veganer bist, würde dich die Karte sicher zum Schmunzeln bringen. Du hast diese Frage schon hundert Mal gehört: Wie erhältst du genügend Proteine?
Ohne Zweifel ist die Proteinfrage die erste Frage, die sich die meisten Menschen stellen, wenn sie über eine pflanzenbasierte Ernährung nachdenken. Und jeder vernünftige Vegetarier oder Veganer hat sich diese Frage auch schon selbst gestellt. Sind das Verzehren eines Steaks oder das Verschlingen eines Grillhähnchens die einzigen Möglichkeiten, um Proteine aufzunehmen? Nein, tatsächlich können wir Proteine aus vielen anderen Quellen aufnehmen; wir neigen jedoch dazu, dies durch kulturell bedingte Fehlvorstellungen und Vorurteile zu vergessen. Sehen wir uns diese Sache einmal genauer an. In unserer Ernährung gibt es drei Nährstoffe, aus denen wir Energie beziehen können: die Kohlenhydrate, die Proteine und die Fette. Nach den neuesten Ernährungsrichtlinien der USDA (United States Department of Agriculture/ Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten) sollten Jugendliche und Erwachsene mindestens zehn Prozent ihrer Energiezufuhr von Proteinen bekommen. (Es wird dich vielleicht schockieren, aber mindestens zwanzig Prozent davon sollten aus dem Verzehr von gesunden Fetten kommen.) Zehn Prozent klingt zwar nicht viel, welche Nahrungsmittel entsprechen jedoch diesen Werten? Nun, wenn wir das Fleisch mal beiseite lassen, liegt der Proteingehalt in Weizen beispielsweise zwischen 12 und 18 Prozent. Getrocknete, geröstete Mandeln enthalten mehr als 13 Prozent Proteine. Sogar unsere einfachen, gekochten Kartoffeln oder Karotten bringen es auf mehr als 10 Prozent. Bohnen und Linsen sind besonders reichhaltig mit 20-30 Prozent an Proteinen. Interessanterweise enthalten sogar der Romana-Salat und der Spinat eine gute Menge an Proteinen, jeweils zwischen 20 und 30 Prozent – vielleicht wurde ja Popeye dadurch stark. Wie man also sieht, auf die 10 Prozent zu kommen ist wirklich nicht schwer. Allerdings sollte man hier noch mehr beachten, und zwar die Qualität der Proteine. Das ist das Thema, das wirklich von Bedeutung für diejenigen sein sollte, die sich für eine pflanzenbasierte Ernährung entschieden haben. Proteine sind aus Aminosäuren aufgebaut, die man als Bausteine für unseren Körper beschreiben könnte. Unser Körper kann viele Aminosäuren selbst synthetisieren (bzw. erzeugen). Trotzdem gibt es acht essentielle Aminosäuren (neun bei Kindern), die aus der Nahrung zugeführt werden müssen. Ein Protein hoher Qualität oder ein komplettes Protein ist ein Protein, das ein angemessenes Verhältnis der acht essentiellen Aminosäuren hat. Verschiedene Nahrungsmittel enthalten unterschiedliche Kombinationen der Aminosäuren; dies ist der Hauptgrund dafür, um eine große Vielfalt von verschiedenen Nahrungsmitteln zu verzehren. Eine der wichtigsten (und häufig übersehenen) Lebensmittel in unserer Ernährung sind die Hülsenfrüchte. Hülsenfrüchte sind Nahrungsmittel, die sich in Schoten oder Hülsen entwickeln, so wie beispielsweise Bohnen (auch Sojabohnen), Erbsen und Linsen. Sie sollten ein wesentlicher Bestandteil einer pflanzenbasierten Ernährung sein. Sie enthalten die Aminosäuren, die oftmals in Getreidesorten fehlen. Abgesehen davon sind sie angefüllt mit Proteinen und Anbieter von anderen guten Nahrungsbestandteilen wie Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen. Wenn man jeden Tag Hülsenfrüchte isst, stellt man sicher, dass genügend Proteine aufgenommen werden. Weil Hülsenfrüchte genau die Aminosäuren enthalten, die den Getreidesorten fehlen – und umgekehrt – haben viele Menschen die Nützlichkeit erkannt, diese beiden Arten von Lebensmitteln zu kombinieren. Öfters bezeichnet man diese Kombinationen (Reis und Bohnen, Brot mit Erdnussbutter, usw.) als kombiniertes Protein. Die Idee dahinter ist es diese Lebensmittel zusammen zu verzehren und somit eine große Ausgewogenheit der Aminosäuren zu erhalten. Während es wichtig ist, diese Beziehung zu verstehen, ist es auch wichtig zu wissen, dass man nicht zu jeder Mahlzeit die Proteine so kombinieren muss. Manche Menschen machen sich deswegen zu viele Sorgen, was aber nicht notwendig ist. Wenn wir Nahrung verzehren, zerlegt der Körper die darin enthaltenen Proteine in die einzelnen Aminosäuren. Dann fügt er diese Aminosäuren wieder zu anderen Proteinen zusammen und kann sie dann so nutzen, wie er es gerade benötigt. Der Körper ist auch in der Lage, die Aminosäuren für den späteren Gebrauch zu speichern. Das bedeutet, dass der Körper keine Schwierigkeiten damit hat, Proteine zu kreieren, so lange man ihm eine gute Auswahl an verschiedenen Aminosäuren ,über den Tag verteilt, zur Verfügung stellt. Hierbei ist es auch wichtig zu erwähnen, dass Quinoa und Soja komplette Proteine sind; also wäre es keine schlechte Idee diese beiden Lebensmittel ab und zu in unsere Ernährung zu integrieren. Kurz gesagt: So lange man eine ausgewogene Ernährung hat, das heißt, reich an Obst, Gemüse, Getreide, Nüssen und Hülsenfrüchten, wird man alle Proteine erhalten, die man benötigt. Also mache dir keine Sorgen mehr darüber, wenn dir jemand das nächste mal erzählt, dass du nicht gesund sein kannst, wenn du kein Fleisch isst; du musst nicht zu einem Tyrannosaurus Rex werden, deine Feldbohnen und dein Tofu leisten eine großartige Arbeit.   Quelle: Life and Health Network